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„Sinnerleben ist für Mitarbeiter ein Motivator“

Interview mit Prof. Nico Rose, Wirtschaftspsychologe und Coach. Neben Einzelcoaching unterstützt er Unternehmen in der Team- und Organisationsentwicklung.
Veröffentlicht am 28.04.2020
Nico Rose ist Wirtschaftspsychologe und Coach. Neben Einzelcoaching unterstützt er Unternehmen in der Team- und Organisationsentwicklung. Bild: NR

Ein Gespräch mit Nico Rose, Professor für Wirtschaftspsychologie an der International School of Management (ISM) in Dortmund und laut Harvard Business Manager einer der führenden Experten für Positive Psychologie in Deutschland.

Viele Ansätze, die sich mit der Transformation der Arbeitsgesellschaft beschäftigen, betonen, dass Führung nicht mehr zeitgemäß sei.
Dem muss ich entschieden widersprechen. Das Verständnis von guter Führung hat sich über die vergangenen Jahrzehnte zwar gewandelt und wird sich weiter verändern. Aber gute Führung wird niemals überflüssig sein. Ich bin davon überzeugt, dass sich gerade in diesen Zeiten viele Menschen nach guter Führung sehnen.

Aber was macht gute Führung aus? Viele Führungskräfte sehen sich aufgrund der Dynamik des Wandels schon jetzt überfordert.
Erstklassige Führungskräfte wissen um den Wert von guter Beziehungsqualität unter ihren Angestellten. Sie ist ein entscheidender Treiber für die Zufriedenheit wie auch die Effektivität von Arbeitsgruppen. Viele Führungskräfte gehen auf die Suche nach Techniken, nach dem nächsten "Hack" für bessere Führung. Menschen sind jedoch keine Software, in der man durch einen Shortcut direkt ins gewünschte Menü gelangt. Wir wollen gesehen und wertgeschätzt werden für das, worin gerade wir besonders gut sind – oder was nach eigenem Ermessen unsere Identität ausmacht.

Was ist es also, was gute Arbeit ausmacht, in der Teams funktionieren und Führung gelingt? Ihr neues Buch heißt „Führen mit Sinn“. Wie geht das?
Grundsätzlich ist es so, dass wir wollen, dass unsere Arbeit Sinn ergibt. Das Erleben von Sinn in der Arbeit hängt von verschiedenen Faktoren ab: So zum Beispiel, mit wem wir arbeiten oder wieviel Gestaltungsoptionen uns gewährt werden. Hier kommt die Führungskraft ins Spiel, deren Einfluss deutlich größer ist, als gemeinhin vermutet wird.

Sie nennen das auch „Return on Sinnvestment“. Ist die Beschäftigung mit dem Sinn in der Arbeit auch eine Investition in die eigenen Mitarbeiter?
Sinnerleben ist für Mitarbeiter der ultimative Motivator, ein „psychologisches Einkommen“, wie ich es nenne. Wir streben danach mindestens genauso wie nach monetärer Vergütung. Ohne Bezahlung sind wir bei der Arbeit kaum zu motivieren. Aber eine attraktive Vergütung ohne Sinnerleben ist langfristig ebenso unattraktiv.

Bedeutet das, dass Mitarbeiter, die mehr Sinn in ihrer Arbeit empfinden, eher auf Einkommen verzichten?
Menschen sind zumindest hypothetisch bereit, einen Teil ihres Einkommens zugunsten einer stärkeren Sinnwahrnehmung zu opfern. Aus der Nutzenperspektive müssten Unternehmen Mitarbeitern, die besonders viel Sinn in ihren Aufgaben empfinden, aber mehr Geld bezahlen, weil sie mehr zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Sie sind deutlich motivierter, spürbar engagierter, leistungsfähiger und auch erfolgreicher. Dazu sind sie gewissenhafter und engagieren sich stärker über ihre eigentlichen Aufgaben hinaus.

Solche Mitarbeiter neigen doch dazu, sich selbst zu verheizen …
Nein, im Gegenteil. Mitarbeiter, die einen Sinn in ihrer Arbeit erleben, empfinden weniger Stress, neigen deutlich weniger zu Burn-out-Symptomen und zeigen eine geringere Bereitschaft den Arbeitgeber zu wechseln. So ist das Investment in Sinn für alle Beteiligten ein Gewinn.

FRAGEN: HOLGER HAGENLOCHER